Wie Digitalisierung bei Service-Versicherern
gelingen kann
Ein Plädoyer für den hybriden Kunden
Jürgen Butscher, Stuttgart
Jeder Service-Versicherer präsentiert sich im Internet mit einer eigenen Website. Diese werden immer häufiger um vertriebsorientierte Websites für Vermittler oder andere Vertriebskanäle ergänzt. Einige haben Erfahrungen mit Social-Media-Auftritten auf Facebook oder Google+ gesammelt. Wieder andere nutzen Apps als zusätzliche Schnittstelle zum Kunden. Die mobile Internetnutzung nimmt in den letzten Jahren bedeutend zu. Dies betrifft insbesondere die Kundenseite, während die Vertriebe selbst die Möglichkeiten von Tablets und Smartphones bisher weniger nutzen.
Da für die meisten Kunden die Internetnutzung privat wie beruflich zum Alltag gehört, nimmt die Bedeutung digitaler Kunden- und Vertriebskanäle zu. Diese neuen digitalen Touchpoints stellen aber viele Versicherer heute noch vor technische und organisatorische Probleme. Die Grenzen zwischen den ungleichen Kanälen verhindern eine für beide Seiten einfache Kommunikation. Der Ansatz, althergebrachte analoge Kanäle mit neuen digitalen Kanälen zu verbinden, führt zum Begriff des Multi- oder Omnikanals. Die Unterschiede zwischen Online- und Offline-Angeboten wirken auf den Endkunden dann abschreckend, wenn zwischen den Kanälen Daten nicht oder erst verspätet ausgetauscht werden können. Auf der anderen Seite gibt es eine neue Kundengeneration, die zumindest überwiegend auf die digitale Kommunikation setzt. Wird dieser Kanal nicht oder unzureichend bedient, wird die Zielgruppe nicht mehr von der üblichen Kommunikation des Versicherungsunternehmens erreicht.
Der Kunde, der selbstverständlich analoge wie digitale Zugangswege zum Versicherer nutzen will, braucht auf der Gegenseite das entsprechende Angebot. Dabei sind alle Phasen der Kundenbeziehung betroffen:
Für den hybriden Kunden ist die digitale Welt längst Realität. Viele sind aufgewachsen mit neuen mobilen Endgeräten wie iPhone (seit 2007) oder iPad (seit 2010) oder Nachfolgeprodukten anderer Hersteller. Versicherer mit benutzerfreundlichen digitalen Angeboten bereiten Beratungsphasen optimal vor oder geben nach Vertragsabschluss leichten Zugriff auf die Daten.
Der MediaMarkt macht es vor: "Im Markt. Im Netz. Jederzeit. Voller Markt-Service auch bei Online-Käufen. Infos auf mediamarkt.de und persönliche Beratung im Markt. Online-Kauf kostenlos im Markt hinterlegen." Der Zugangsweg ist egal. Der Kunde entscheidet.
Wer nun glaubt, dass der digitale Weg der einzig zielführende ist, der irrt. Insbesondere im Entscheidungsprozess für eine Versicherung spielt nach wie vor der persönliche Vertriebskontakt für den späteren Abschluss eine wichtige Rolle (s. VersicherungsJournal vom 11.11.2014 "Kunden bevorzugen persönliche Beratung"). Zumindest im Bereich der Lebens- oder Rentenversicherung, wie hier untersucht wurde. Das zeigt aber auch, dass die Service-Versicherer mit einer guten Beratung weiterhin punkten können und dies vom Kunden dann honoriert wird. Eine gute persönliche Beratung erhöht die Abschlusswahrscheinlichkeit signifikant! Wenn es nun noch gelingt auch digitale Schnittstellen befriedigend zu bedienen, so steht einer loyalen Kundenbeziehung wenig im Wege.
Dass der digitale Weg seine Berechtigung hat, zeigt schon die Initiative der Allianz, klar an der Umsetzung der Digitalisierung in den kommenden Jahren zu arbeiten (s. Süddeutsche vom 23.09.2014, "Allianz setzt alles auf die digitale Karte" und VersicherungsJournal vom 28.11.2014 "Online-Vertrieb: Allianz investiert weitere 100 Millionen Euro")
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6 Statistiken zur Internet-, Smartphone und Tabletnutzung
Der Kunde
mit seinen Bedürfnissen an die Versicherung steht im Mittelpunkt. Loyale Kunden empfehlen weiter, kaufen mehr Versicherungsprodukte und bleiben dem Unternehmen treu.
Der Ansatz des Omnikanals stellt künftig alle Kundendaten auf allen Kanälen zur Verfügung. Kunden bekommen in allen Phasen der Kundenbeziehung notwendige Informationen, Beratungs- und Produktangebote. Persönliche Kontakte werden um digitale Angebote erweitert. Die regelmäßige Kundeninteraktion ist entscheidend. Dies erhöht die Loyalität zum Versicherer.
Der Vertrieb
ist auf dem Weg der Digitalisierung zu begleiten. Dies kann eine Außendienst-organisation sein, eine Maklerunterstützung usw. Vertriebsmaterialien sind vermehrt auch mobil bereitzustellen.
Die Online-Beratung kann in einigen Fällen den weiten Weg zum Kunden erübrigen. Social-Media-Angebote der Vertriebsmitarbeiter können zu neuen Verkaufsgesprächen führen. Newsletter informieren den Kunden und Interessenten über wichtige Ereignisse in der Versicherungswelt. Im Idealfall sind sie personalisiert mit Daten aus der Kundendatenbank. Persönliche Beratung und digitale Unterstützung müssen sich nicht ausschließen. Das muss verinnerlicht werden.
Die Versicherungsorganisation
muss den Wandel vorbereiten. In Zukunft wird es auch um individuellere Versicherungslösungen gehen. Das hat Einfluss auf eine flexible Beitragskalkulation. Kundenportale können Service-Bereiche entlasten.
Die IT steht weiter vor der Herausforderung die Daten nicht nur intern, sondern auch vermehrt den Vertrieben und teilweise auch dem Kunden "in Echtzeit" zur Verfügung zu stellen. Eine Balance zwischen technikgetriebener Vorgehenweise und kundenzentrierter Sicht des Vertriebs/Marketings ist zu finden. Das Personal im Innen- wie Außendienst ist auf die Änderungen bedingt durch die digitalen Prozesse vorzubereiten. Die Strategie eines Unternehmens muss auch die Digitalisierung konsequent berücksichtigen.
Der Versicherungsmarkt
ändert sich durch die Digitalisierung rasch. Die Macht des Kunden wächst. Er ist besser informiert, hat mehr Vergleichsmöglichkeiten, wird von Direktversicherern und Vergleichsportalen umworben.
Die Generation Y wächst mit einem anderen Verständnis hinsichtlich Informationsbeschaffung und Schnelligkeit auf. Der Service-Versicherer muss bei der Beratung seine Kompetenz zeigen. Und diese um selbstverständliche digitale Angebote erweitern. Die Beobachtung von Technologietrends ist erforderlich - und die Bereitschaft etwas Neues auszuprobieren und bei Bedarf auch zu verwerfen.
... Kunde
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... Versich.organisation
... Marktbeobachtung
© Jürgen Butscher, 2014-2015